
Schon als Kind hatten mich schwarze Löcher fasziniert, aber auch besorgt. Ich stellte mir schwarze Löcher als dunkle Trichter im Weltraum vor, die alles einsaugen, was ihnen zu nahe kommt (d.h. den Ereignishorizont überschreiten) – sogar Licht (Photonen), weshalb sie schwarz erscheinen. Wenn sogar Licht nicht entkommen kann, würden nicht schwarze Löcher über kurz oder lang alles einsaugen, bis kein Universum mehr übrig bleibt? Ist unsere Existenz gefährdet?
Erst später erfuhr ich, dass sich der Weltraum offenbar ausdehnt, dass es zwar viele schwarze Löcher gibt, aber diese weit weg sind von uns (gemäss Wikipedia ist Gaia BH1 das nächste, aber immerhin 1560 Lichtjahre entfernt von der Erde), und dass schwarze Löcher auch schrumpfen können (kleine Wärmeabgabe postuliert durch die Hawking-Strahlung aufgrund von Quanteneffekten).
(Unsere Existenz, resp. das Leben auf der Erde wird unmöglich werden, wenn unsere Sonne ausgebrennt ist in einigen Milliarden Jahren, aber das ist ein anderes Thema, u.a. diskutiert in Brian Greene’s hervorragendem Buch «Until the End of Time». Vermutlich wird unsere Sonne am Ende ihres Lebens ebenfalls in sich zusammenfallen und ein kleines schwarzes Loch bilden).
Dagegen erscheinen Weisse Löcher als hoffnungsvolles, metaphorisches Gegenstück. Ich habe davon erst zufällig durch ein Buch von Carlo Rovelli erfahren, welches ich vor kurzem gelesen habe.
Gemäss Carlo Rovellis gleichnamigem, kleinen Büchlein sind Weisse Löcher als theoretisches, noch nicht beobachtete Konstrukt das Gegenteil von schwarzen Löchern, da man nicht von aussen in sie hinein kann, aber Materie, Licht von ihnen heraustritt.
Es gibt verschiedene Ansätze zu Weissen Löchern (eine davon ist, dass diese quasi den Ausgang auf der anderen Seite eines schwarzen Loches bilden könnten, verbunden durch ein «Wurmloch» – da kommt einem Star Trek in den Sinn:-)
Rovelli beschreibt, dass durch das Masse-Wachstum von schwarzen Löchern deren Trichter immer tiefer, jedoch auch enger wird, bis zu einem Punkt, an dem Quanteneffekte einflussreich werden. Rovelli glaubt, dass es danach zu einer Art «Bounce» kommt, d.h. dass der Trichter sich wieder verkürzt/vergrössert und nutzt dafür die Metapher eines Balls, der auf den Boden fällt und wieder zurückspringt. Ab diesem Rücksprung wird das schwarze Loch zu einem weissen Loch (z.B. S. 104).
Eine Hypothese vermutet gar, dass der Big Bang als Geburt des Universums ebenfalls ein Weisses Loch ist, respektive aus einem solchen heraus entstand.
Je näher man dem Ereignishorizont von schwarzen Löchern kommt, desto weniger kann dem schwarzen Loch entfliehen. Entsprechend wird weniger Licht emittiert und die Zeit dort scheint für weit entfernte Beobachter langsamer zu vergehen. Da Gravitation die Zeit verzerren kann, erscheint das Leben von schwarzen und weissen Löchern für externe, weit entfernte Beobachter viel länger zu sein, als wenn man drin wäre. Rovelli schreibt, dass stabile weisse Löcher die Masse eines kleinen Haares habe, und von aussen wohl wie ein Staubteilchen aussehen würde, und vermutet, dass dies Teile der dunklen Materie ausmachen könnten (S. 130-131).
Rovellis Buch ist sehr kurz und leichtfüssig geschrieben, mit vielen Referenzen zu Dantes Texten (dunkle Unterwelt als Analogie zum schwarzen Loch) und wirkt faszinierend. Angesichts der Kürze und der nötigen Vereinfachungen bleiben aber viele Fragen offen und mag interessierte Laien verwirren. Z.B. wird mit der Ball-Metapher und dem Namen («Weisses Loch») impliziert, dass Licht und Materie emittiert werden, und damit weisse Löcher sichtbar sein sollten, aber am Ende schreibt er, dass weisse Löcher (nur am Ende ihres Lebens?) nicht sichtbar seien, nicht mit Licht interagieren und (gegen aussen) nur schwache Gravitationskräfte haben (warum?).
Dennoch regt das Buch, insbesondere die Ausflüge in Themen wie Richtung der Zeit (abhängig vom Bestehen eines Ungleichgewichts, einer Separation von Systemen und einer langen Zeit, um diese Ungleichgewichte sich ausgleichen zu lassen) und Entropie, zum Denken an und sind Quellen für eingängige One-Liners (Seite 120: «All oft he information in the macroscopic world arises from the dissipation of a disequilibrium in the past», Seite 122: «… disequilibrium is so necessary to thinking…»; S. 137: «Disequilibrium is information», und «… low entropy of the past ist he ultimate source of all the information in every … memory»).
Rovelli ist ein Vertreter der Theorie der Schleifenquantengravitation (loop quantum gravity), welche versucht, die allgemeine Relativitätstheorie von Einstein mit Phänomenen der Quantenphysik zu vereinbaren. Diese ist eine Alternative zur Stringtheorie (als deren Vertreter der oben erwähnte Brian Greene gilt).
Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/White_hole
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_nearest_known_black_holes
Rovelli, Carlo (2024): White Holes. Translated by Simon Carnell. Dublin: Penguin Randon House.
Brian Greene (2021). Until the End of Time. Penguin Books.



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