Der Bereich Tiefbau der Stadt Dübendorf ist ja aktuell daran, den Pilotversuch der getrennten Plastikabfallsammlung zu untersuchen. Anlass genug, um sich ein wenig einzulesen:
Ende Juni publizierte der Verein Schweizer Plastic Recycler (VSPR) seinen Monitoringbericht 2022. Im VSPR sind sieben Kunststoffsammel-/Recyclesysteme angeschlossen, und damit rund 638 Gemeinden. Dabei werden leichter Kunststoffabfall, u.a. Plastikfolien (z.B. von Nahrungsmittelverpackungen), Nachfüllbeutel, Milchflaschen, Reinigungsmittelflaschen, Duschmittel, Zahnpastatuben, aber auch Getränkekartons (Tetrapak) gesammelt typischerweise aus Haushaltabfällen. Nicht darin enthalten ist PET, denn dafür gibt es eine eigenes Recyclingsystem. Viele andere Plastikgüter, wie z.B. grössere Kinderplastiktische, werden in den Zahlen des VSPR auch nicht berücksichtigt.
Im 2022 wurden von diesen schweizweit 9’447t Kunststoffabfälle gesammelt fürs Recycling. Davon sind tatsächlich rund 9’022t verwertbares Kunststoff-Zielmaterial (d.h. weder PET, noch Metalle, noch Kartonhüllen von Joghurtbechern etc.). Energetisch verwertet, d.h. entweder in einer Kehrichtverbrennungsanlage oder in einem Zementwerk als Brennstoff verwendet, wurden 4’019t (was 42% des Sammelgutes entspricht).
Stofflich konnten im 2022 rund 5’065 Tonnen wiederverwertet werden, was einer sogenannten Industrierückführungsquote (IRQ) von 53% entspricht. D.h. etwas mehr als die Hälfte des Sammelgutes wird tatsächlich wiederverwendet. Der Kanton Zürich möchte diese Quote gemäss Medienmitteilung vom Februar 2021 bis 2030 auf über 65% anheben.
Von diesen rund 5’065t sind 4’759t Kunststoff, 46t Metall und 260t Faserstoffe. Bei den Kunststoffen ist Polyethylen (PE) mit 2’000t Spitzenreiter. PE ist einer der häufigsten Plastiksorten und wird u.a. für Verpackungen genutzt (Folien, Säcke, Flaschen), aber auch für Isolationen, Rohre, Zahnräder und sogar Prothesen.
Wer genau aufgepasst hat, hat gemerkt, dass eine Restmenge des Sammelgutes verbleibt. Das sind Wasser, Speisereste etc., die wohl entweder in der KVA oder einer ARA landen.
Je nach Quelle geht man davon aus, dass in der Schweiz ein Kunststoffsammelpotenzial von 110-195’000t pro Jahr existiert (Swiss Recycling geht von 195’000t Verpackungen aus, die rezykliert werden könnten); es ist mir nicht ganz klar, ob die Quellen die gleichen Definitionen/Scope verwenden. Angesichts der gesammelten Menge ist aus heutiger Sicht dennoch von zusätzlichem Sammel-Potenzial auszugehen.
Die meisten dieser leichten Kunststoffverpackungen gehen zwecks Recycling für mindestens einen Arbeitsschritt (immerhin 62% gar für das gesamte Verfahren) ins Ausland (EU), da in der Schweiz die Sammelmenge offenbar noch zu gering ist, um ein grosses Werk wirtschaftlich zu betreiben.
Immerhin scheint das Recycling von EPS (expandiertes Polystyrol, besser bekannt als Styropor) mit 933t pro Jahr praktisch ganz in der Schweiz zu sein (siehe VSPR 2022 Bericht).
Es gibt verschiedene Kunststoff-Recycling-Verfahren. Beim mechanischen Verfahren wird meist das Sammelgut u.a. sortiert, gereinigt verkleinert (oft gemahlen) und anschliessend zu PE-, PO-, PP- oder PS-Granulat verarbeitet, dass dann verkauft wird. Punkto Farben und Anwendungsbereiche ist das Rezyklat nicht ganz so flexibel einsetzbar wie neuer Kunststoff. Aussagen dazu gehen weit auseinander. Die Einsetzbarkeit von Kunststoff-Rezyklat ist aber entscheidend, um ökologisch und ökonomisch das Recycling rechtfertigen zu können.
Im Kanton Zürich wurden 2022 rund 1’453t Kunststoffabfall gesammelt. Das sind rund 900 Gramm pro Kopf. Spitzenreiter ist der Kanton Uri, der pro Kopf rund 4.6 kg Kunststoffabfall sammelte.
In Dübendorf wurden im 2022 rund 39t gesammelt (gemäss Geschäftsbericht 2022). Dies sind rund 1.3kg pro Kopf. Auch bei uns besteht wohl noch Potential nach oben. Die Stadt Dübendorf arbeitet mit kunststoffsammelsack.ch zusammen. Diese ist eine der 7 gelabelten Systeme des VSPR.
CO2-Einsparungen
Der VSPR geht davon aus, dass pro Tonne gesammeltem Kunststoff rund 1.7t CO2 eingespart werden kann. Kunststoffsammelsack.ch spricht von 1.4-3.2t CO2. Das Fraunhofer Umsicht Institut geht in seiner Analyse für die Firma Vogt Plastic in Rheinfelden DE, welche die gesammelten Kunststoffe aus Dübendorf rezykliert, von 392 kg CO2 pro t aus. Wie immer bei vielen Zahlen und komplizierten Verfahren kommt es stark auf die Spezifika des Untersuchungsraums an (Definitionen, Scope etc.).
Kontext
Die Sicht auf eine höhere Flugebene mag helfen, Themen einzuordnen. Weltweit wurde 2021 rund 391 Mio. Tonnen Kunststoff hergestellt (gemäss Statista).
Gemäss Verband Kunststoff.Swiss wurden 2022 (in der Schweiz?) rund 710’000t Kunststoffe (vermutlich jeglicher Form und Art) verarbeitet. Die Im- und Exporte von Kunststoffabfällen steigen und erreichten 2022 94’000 resp. 88’000t.
Plastikverpackungen können helfen, Lebensmittel zu lagern und zu schützen und damit Foodwaste zu verringern (was ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. ein berühmtes Beispiel sind in Plastik verpackte Gurken, ein Beispiel auf Seite 25 hier).
Wichtig ist aber, Plastik nicht sinnlos zu verschwenden, wenn möglich mehrmals zu verwenden und nach Gebrauch zu rezyklieren.
Ausblick
Auf nationaler Stufe sind mehrere parlamentarische Vorstösse in Bearbeitung. So verlangte z.B. FDP-Nationalrat Marcel Dobler 2020 in einer Motion «Förderung der Kreislaufwirtschaft. Die Schweiz soll mehr Plastik rezyklieren», «mittels Verordnung festzulegen, dass stofflich verwertbare Anteile von Kunststoffabfällen schweizweit koordiniert und flächendeckend getrennt gesammelt und hochwertig stofflich verwertet werden können.» Diese Motion wurde 2021 an den Bundesrat überwiesen, der nun eine Vorlage ausarbeitet.
Die Recycling Branche versucht, bottom-up die Kreislaufwirtschaft mittels Projekt «Sammlung 2025» in ein nationales System weiterzuentwickeln.
Die Kreislaufwirtschaft ist aktuell in aller Munde. Zum einen hat das Zürcher Stimmvolk den Begriff im September 2022 in einer Abstimmung in die Kantonsverfassung aufgenommen. Zum anderen hat sich das soeben zu Ende gegangene nationale Forschungsprogramm 73 einer nachhaltigen Wirtschaft gewidmet.
Das Thema ist aber hochkomplex. Nicht immer sind geschlossene Kreisläufe umweltfreundlicher (wie Haupt und Hellweg, 2019, zeigen). Es ist also wichtig, sich genau im klaren zu sein, was genau untersucht werden soll, mit welchen (oft impliziten) Annahmen man operiert, was die Ziele sind, welche Faktoren/Wechselwirkungen relevant sein könnten, und welche möglichen Konsequenzen in welchen Szenarien auftreten könnten.
Weiterführendes
Verein Schweizer Plastic Recycler
http://www.plasticrecycler.ch
Swiss Recycling
https://www.swissrecycling.ch/de/wertstoffe-wissen/wertstoffe/kunststoff
Klotz, M. & Haupt, M. (2022). A high-resolution dataset on the plastic material flows in Switzerland. Data in Brief 41, April 2022.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352340922002128#sec0007
Klotz, M., Haupt, M. & Hellweg, S. (2022): Limited utilization options for secondary plastics may restrict their circularity. Waste Management 141, March 2022.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0956053X22000034
Nationales Forschungsprogramm 73: Nachhaltige Wirtschaft
Bundesamt für Umwelt (BAFU):
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/abfall/abfallwegweiser-a-z/kunststoffe.html