Einen halben Tag bei der Wasserversorgung Dübendorf

Punkt 7 Uhr an diesem regnerischen Juni-Tag werde ich freundlich und humorvoll begrüsst in der Werkstatt der Wasserversorgung im Storchen, jenem Stück Land im Geviert Wallisellen-/Birchlen-, Meiershof- Unterdorf-, sowie Adlerstrasse, auf welchem die Wasserversorgung Dübendorf (WVD) ihren Standort hat und wo sie bis 1976 noch Grundwasser gepumpt hatte. Wir werden wohl heute von oben (Regen), unten (Graben, Arbeiten an einer Wasserleitung) und in der Mitte (Hydrant) nass.

Die WVD

Als Tiefbauvorstand vertrete ich den Stadtrat im Vorstand der WVD – aus gutem Grund. Unter der Strassenoberfläche tummeln sich Wasserleitungen, Abwasserkanäle, Gasleitungen, Stromleitungen, Swisscom-Leitungen und weiteres (z.B. teilweise alte, ausser Betrieb genommene Leitungen). Bei Grabarbeiten kann es immer wieder Überraschungen geben (Geologie, Altlasten etc.). Da Tiefbauarbeiten viel Geld kosten, ist es sinnvoll, dass die verschiedenen Werke sich koordinieren und so Synergieeffekte nutzen und damit Kosten sparen. Wir wollen wenn immer möglich vermeiden, das z.B. die Abteilung Tiefbau eine Strasse saniert, und nur ein Jahr später graben die Glattwerk AG oder die WVD erneut im selben Abschnitt, um ihre Leitungen zu erneuern.

Die WVD versorgt die Einwohner sowie Gewerbe und Industrie seit 1894 mit Trinkwasser im Auftrag der Stadt, primär Dübendorf, aber das Zwicky-Areal (teilweise auf Walliseller Gemeindegebiet) gehört auch dazu. Nicht darunter fällt Gockhausen, welches von der Wasserversorgung Tobelhof-Gockhausen-Geeren (WVTGG) bedient wird.

Damals im 1894 hatte die WVD gemäss Chronik ein Leitungsnetz von rund 6km (heute sind es 98km Versorgungsleitungen und rund 46km Hausanschlussleitungen) mit 42 Hydranten (per Ende 2023 waren es 902). Die WVD hat zur Feier ihres 125jährigen Bestehens 2019 der Stadt Dübendorf den geschwungenen Brunnen auf dem Stadthausplatz geschenkt.

Die WVD ist eine Genossenschaft mir rund 300 Mitgliedern und als solche sehr schlank aufgestellt. Gemäss Statuten können Personen Mitglied werden, wenn sie im Bereich des Leitungsnetzes der WVD Gebäude-Eigentümer mit Wasseranschluss und eigenem Wasserzähler sind.

Rund 60% des «Dübi-Wassers», d.h. die 2.6 Mio. Kubikmeter Wasser, welche jährlich aus unseren Hähnen fliessen, stammt aus dem Zürich-See und 40% aus den drei Grundwasserpumpwerken Eglishölzli, Stiegenhof und Widacher. Der Quellertrag ist vernachlässigbar klein. Diese drei Wasserquellen werden gut gemischt, so dass die Charakteristika des Dübi-Wassers (z.B. Härte) auf dem Stadtgebiet überall etwa gleich sind).

Vor dem Einsatz draussen

Als erstes ziehe ich mich um: WVD-Mitarbeite tragen «draussen» stets Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen, gelbe Hosen mit zwei reflektierenden Leuchtstreifen, ein blaues T-Shirt sowie eine gelbe Jacke oder Weste. Auf Baustellen tragen sie stets einen blauen Helm.

Auf dem Whiteboard im Büro sind jeweils die Tagespläne der nächsten zwei Wochen eingetragen. Die Arbeiten sind erstaunlich vielfältig: Bauprojekte und damit der Ein- oder Umbau von Wasserleitungen, Sanierung bestehender Leitungen, Spühlung von Stichleitungen (zur Vermeidung von Verkeimung), Installationskontrollen, Einbau oder Kontrolle von Wasserzählern (neuere können per Funktechnik «fern» ausgelesen werden), monatlich Wasserproben entnehmen, Weiterbildungen besuchen etc.

Heute auf dem Programm stehen u.a. Arbeiten an der Gärtnerstrasse, an welcher aktuell die Strassensanierung läuft, sowie im Huebwisen-Areal nördlich der Ueberlandstrasse, an welcher vor einigen Tagen ein Rohrbruch geschah und deshalb ein Keller teilweise überschwemmt wurde.

Ich darf heute Hampi begleiten. Wir rüsten den Kleinlaster aus mit den nötigen Werkzeugen. Faltschlauch, Pumpe, Generator, Schmiere, Spezialschlüssel und weiteres Material sind schon auf der Ladebrücke, dazu kommen eine Stichsäge, 2 grosse, blaue Metall-Kupplungen für ein Polyethlyen-Wasserrohr mit 160mm Durchmesser.

Die beiden Enden des rund 1.5m langen neuen Rohrabschnitts rauhen wir mit einem kurbelbetriebenen Schaber auf, und schrägen die Enden mit einem anderen Schaber noch, damit die Kupplungen optimal befestigt werden kann.

Gärtnerstrasse

Auf der Baustelle im für uns relevanten Graben sind derzeit zwei Personen einer Baufirma tätig. Die Gärtnerstrasse ist aufgrund der Bauarbeiten an mehreren Stellen nur knapp einspurig befahrbar und der Graben ist gefühlt bis zu 2m tief. Der Betonkabelkanal der Swisscom ist freigelegt, ebenso wie der alte Stromkabelkanal mit weissen Rohren der Glattwerk AG und die schwarze Röhre mit den blauen Streifen der WVD. Sichtbar sind auch Stummel noch älterer, ausser Betrieb genommener Stromkabel. Der bestehende Hydrant ist freigelegt und steht wie eine Insel auf einem rund 1.60m langen, senkrechten Zuleitungsrohr, welches dann bei einem einbetonierten Knick horizontal mit der bestehenden Wasserleitung verbunden ist.

Auftrag heute ist, den nicht mehr benötigten Hydranten und dessen Anschlussleitung zu entfernen, und dafür rund 1.5m der bestehenden Wasserleitung zu ersetzen. Hampi misst das bestehende Rohr und markiert Schnittpunkte. Die betroffenen Haushalte sind standardmässig einige Tage vorher mittels Papierflyer in ihren Briefkästen auf die geplante Unterbrechung der Wasserzuleitung zwischen 8 und 12 Uhr informiert worden.

Dann stellen wir das Wasser im Perimeter ab, indem wir an zwei Schiebern mit einem speziellen Schraubenschlüssel schrauben und so die Leitung temporär zuschrauben. Im Leitungsnetz gibt es Hunderte von Schiebern. Diese sind jeweils unter runden Metallplatten von ca. 15cm Durchmesser im Strassenraum verborgen. Nimmt man diese Metallplatte weg, ist zylinderförmiges Loch sichtbar, in dessen Mitte ein 4-kantige Stange ist, an der man schrauben kann.

Gerade wenn ein Hydrant unglücklich umgefahren würde, so dass er nicht an der Sollbruchstelle bricht und darum nicht durchs Sicherheitssystem verschlossen wird, kann dies zu einer starken Wasserfontäne führen, schliesslich herrscht in der Leitung ein Druck von 7bar. Dann müsste die WVD dringend alle Leitungen, die zum betroffenen Hydranten führen, temporär mittels Schiebern absperren, um Überschwemmungen möglichst zu vermeiden.

Während Hampi mit der Stichsäge ein Rohrstück präzise entfernt, tausche ich mich mit den Bauarbeitern aus. Sie erzählen, sie hätten in der Gärtnerstrasse etwas weiter entfernt entdeckt, dass eine Hauszuleitung, zwar isoliert, früher offenbar quer durch den Abwassersammelschacht durchgebohrt wurde, was natürlich nicht sein sollte. Auch habe es kleinere Überraschungen beim Swisscom-Kanal gegeben, unter welchem der neue Rohrblock der Glattwerk AG geplant ist. Diese Überraschungen generieren dem Bauprojekt wohl etwas mehr Aufwand, als geplant war. Der Untergrund ist immer für Überraschungen gut!

Durch das Zersägen der Wasserleitung wird natürlich das sich noch in der Leitung befindliche Wasser entleert und es beginnt den Graben zu füllen und. So starten wir die Pumpe, mit welcher dieses Wasser in den Breitibach geleitet wird.

Danach werden die Enden der im Graben befindlichen, angesägten Leitung aufgeraut. Das neue Rohrstück, mit den beiden Doppeldichtungskupplungsstücken legen wir in den Graben und verschrauben es mit den beiden Enden der bestehenden Leitung.

Nach der Znüni-Pause sperren wir zwei weitere Schieber ab und öffnen dann einen Hydranten, an dem wir zuvor einen Faltschlauch mit Druckentlaster über dem nächsten Strassenentwässerungsschacht befestigt haben. Kurz darauf öffnen wir dann sachte die Schieber am Ende des Perimeters, um den Abschnitt der Wasserleitung in der Gärtnerstrasse, der durch den Austausch des Rohrstücks betroffen ist, gründlich zu spühlen. Pro Minute rauschen mehrere Hundert Liter Wasser aus dem Hydranten und das Wasser zischt und sprudelt in den Schacht.

Ich sichere den Schlauch, damit dieser von den (teilweise sehr, teils zu wenig vorsichtig) vorbeifahrenden Autos auf der Birchlenstrasse nicht mitgerissen wird. Nach wenigen Minuten schliessen wir den Hydranten, öffnen die Schieber und die Wasserleitung im Perimeter ist nun wieder vollständig ans Netz angeschlossen.

In der Zwischenzeit kommt ein Ingenieur vorbei und vermisst die Position der zwei eingebauten Kupplungen mit einem Messstab mit eingebautem Display und einer Faust-grossen Bedienung. Diese Daten werden danach ins lokale Geoinformationssystem der Stadt eingespiesen, damit bekannt bleibt, wo genau (Koordinaten, und Höhe) sich die Wasserleitung befindet und diese Kupplungen.

Dann legen wir die Zuleitung des ausgedienten Hydranten (Nr. 301) frei und heben diesen mithilfe eines Baggers auf die Strasse. Dort zertrümmert ein Arbeiter der Strassenbaufirma den kleinen betonierten Sockel mittels Vorschlaghammer, und schon werden der freigelegte Hydrant mitsamt altem Rohrstück auf den Kleinlaster der WVD gehievt.

Abschluss

Schliesslich deckt Hampi die Schrauben der Kupplung mit einem Band mit wachs-/gel-artigem Film ab, als Korrosionsschutz. Nach kurzem Aufräumen beginnen die Strassenbauarbeiter, die bisher im Graben freigelegene Wasserversorgungsleitung mit Kies und Erde zuzudecken. Es wird später ca. 30cm über der Wasserleitung noch ein Plastik-Warnband in den Graben gelegt. Dies um bei künftigen Tiefbauarbeiten in diesem Perimeter den dannzumaligen Baggerführer zu warnen, das unten dann demnächst eben die Wasserleitung liegt.

Wir prüfen noch kurz den Entlüfter am Ende der Gartenstrasse. Dann geht es für uns geht es kurz nach 11 Uhr in den Storchen zurück zum Werkzeug putzen und ordnen, Batterien laden, Abfall entsorgen sowie zum Rapport schreiben und Inventar aktualisieren. Ich darf noch ein paar Blicke ins Lager werden mit unzähligen Teilen wie Rohrstücken, Wasserzählern und anderes (die Fachausdrücke habe ich wieder vergessen).

Ich bedanke mich bei Betriebsleiter Peter Meier und dem Team für die Möglichkeit, ihre Arbeit einen halben Tag lang zu begleiten und kennen lernen zu können und kehre um 12.20 Uhr zu meinem normalen Erwerbsleben zurück.

Weiteres zur WVD und zur WVTGG

wvd.ch

wvtgg.ch

Bau des Solarfaltdachs der ARA Neugut hat begonnen

Am 17. Juni hat auf der Kläranlage ARA Neugut in Dübendorf der Bau der einer speziellen Solaranlage auf dem Dach des Biologie-/Nachklärbeckens begonnen. Diese Photovoltaikanlage wird Ende Sommer/Anfang Herbst in Betrieb gehen und wird über eine Spitzenleistung von 399 kWp verfügen. Damit kann die ARA künftig rund Zweidrittel des benötigten Stroms übers Jahr gesehen selbst produzieren (die ARA verfügt heute bereits über PV-Anlagen und ein Blockheizkraftwerk). Im Sommer kann die ARA mehr Strom produzieren als benötigt und somit die Differenz einspeisen.

Die neue Anlage ist ein Solar-Faltdach. Die Faltdach-Module werden bei starken Unwettern automatisch via Seilzug eingezogen in eine geschützte Garage, um die sehr dünnen und leichten Module nicht zu beschädigen. Es wurde ein Faltdach gewählt, da es über den Klärbecken kein Dach gibt und eine Dachkonstruktion zu schwer und zu teuer wäre.

Trendwende? Die Erwerbstätigenquote in der Schweiz steigt nach dem «Corona-Tal» wieder!

Bildquelle: https://www.investopedia.com/terms/p/participationrate.asp

Die Zahl der Erwerbstätigen in der Schweiz steigt; per Ende 2023 waren es 5.3 Millionen. Das ist zum einen getrieben durch die Einwanderung von Arbeitskräften, zum anderen im Laufe der Jahre tendenziell durch eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen.

Die Erwerbstätigenquote gibt gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) an, welchen Teil der Einwohner, die mindestens 15 Jahre alt sind und während der Referenzwoche mindestens eine Stunde gegen Entlöhnung gearbeitet haben; oder trotz zeitweiliger Abwesenheit von ihrem Arbeitsplatz (wegen Krankheit, Ferien, Mutterschaftsurlaub, Militärdienst usw.) weiterhin eine Arbeitsstelle als Selbständigerwerbende oder Arbeitnehmende hatten; oder unentgeltlich im Familienbetrieb mitgearbeitet haben.

In den Jahren 2017 bis 2019 lag diese standardisierte Erwerbstätigenquote bei rund 65.3%. Im 2020 ging sie auf 64.6% zurück und blieb 2021 und 2022 dann bei 64.2% resp. 64.3%. Dieser eine Prozentpunkt Differenz entspricht ungefähr 80’000 Personen.

Das heisst vereinfacht, dass in den Jahren 2021/2022 rund 80’000 Personen weniger gearbeitet haben als in normalen Jahren, trotz Wachstum der Wohnbevölkerung und der Erwerbstätigen!

In den Jahren seit 2018 ist die absolute Zahl der Erwerbstätigen zwar (ausser 2020) jedes Jahr gestiegen (von 4.74 Mio. auf 4.96 Mio, im 2023), die Quote zeigt aber, dass in den Jahren 2020-2022 verhältnismässig weniger Personen am Erwerbsleben teilnahmen als normal. Dies könnte einen Teil erklären, warum mit dem Nach-Corona-Boom Arbeitskräfte zunehmend weniger gut verfügbar waren und seither in vielen Branchen Arbeitskräftemangel herrscht.

(Man mag einwenden, dass dies mit den Arbeitslosen erklärt werden könnte. Die Erwerbsquote, welche Erwerbstätige und Arbeitslose umfasst, zeigt allerdings ein ähnliches «Corona-Tal» wie die Erwerbstätigenquote. Das bedeutet, die durch die Corona-Krise zusätzlich entstandenen Erwerbslosen können nur einen kleinen Teil des Corona-Tals erklären).

Im 2023 stieg allerdings die Erwerbstätigenquote markant und erreichte 65.0% (gemäss vom BFS am 16. Mai 2024 publizierten Zahlen). Wenn ein grösserer Teil der ständigen Wohnbevölkerung erwerbstätig ist, kann dies den Arbeitskräftemangel lindern.

Ist das bereits eine Trendwende weg vom ausgetrockneten Stellenmarkt?

Der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften wird massgeblich durch die Einwanderung gedeckt. Denn seit 2019 ist die Anzahl 65jährigen (also jene, welche in der Regel aus dem Erwerbsleben ausscheiden) grösser als die 20jährigen (also jene, welche häufig ab dann voll ins Erwerbsleben einsteigen).

Die quartalsweise Erwerbstätigenquote ist im Q1 2024 zwar auf 64.6% gesunken, aber dies dürfte saisonal bedingt sein (Q1 lag in den letzten 10 Jahren im Schnitt 0.7 Prozentpunkte tiefer als Q4 des vorangegangenen Jahres).

Mehrere Faktoren wie die Einwanderung von Arbeitskräften, globale Politik, die Situation bei den Flüchtlingen, gesellschaftliche Trends und neben weiteren Faktoren natürlich auch die Konjunktur beeinflussen den Entscheid am Erwerbsleben teilzunehmen.

Es bleibt also weiterhin spannend am Arbeitsmarkt!

Adrian Ineichen

Quellen:

Bundesamt für Statistik

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erwerbstaetigkeit-arbeitszeit/erwerbsbevoelkerung/erwerbsbeteiligung.html

hier sind Definitionen zu finden, sowie Links zu Daten

Bundesamt für Statistik: Brutto- und standardisierte Erwerbstätigenquoten nach Geschlecht und Nationalität

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erwerbstaetigkeit-arbeitszeit/erwerbsbevoelkerung/erwerbsbeteiligung.assetdetail.31306564.html

hier sind die oben zitierten Quoten zu finden

Mehr Achtsamkeit im öffentlichen (Strassen)Raum!

Sieht so Achtsamkeit im öffentlichen Raum aus? (Bild generiert mittels Openart.ai)

Die Schweizer Bevölkerung wächst und ihre Mobilität ebenso (gemessen an der Zahl zurückgelegter Kilometer pro Person und Tag; obwohl die Corona-Pandemie einen Unterbruch generierte). Zugleich soll die Landschaft geschützt werden (fruchtbare Böden wie Fruchtfolgeflächen, Naturschutzgebiete, «schöne Landschaften» etc.).

Dies bedeutet, dass es tendenziell zu mehr Kreuzungen von Verkehrsteilnehmern kommt und zu mehr Nutzungskonflikten im öffentlichen Raum.

Dies kann teilweise durch kluge Politik entschärft werden, z.B. mit der Regelung wer wann wo wie hindurch darf.

Viele Städte bauen den öffentlichen Verkehr aus, und fördern den Langsamverkehr (Fuss- und Veloverkehr). Zudem sind in den letzten 20 Jahren vermehrt Temporeduktionen salonfähig geworden. Schliesslich wird versucht, mit Anpassungen von Signalisationen oder baulichen Veränderungen (Kissen, Tore, teils farbliche Gestaltungen der Strassenoberflächen, Spurführungen, Abständen etc.), den Verkehr zu beruhigen oder zu regulieren.

Diese Entwicklung scheidet bisweilen die Geister und generiert manchmal hitzige Debatten. Zudem scheinen die Ansprüche an den Staat, gerade in der Verkehrspolitik, sehr stark gewachsen zu sein. Kommt hinzu, dass wir mehr und mehr gestresst sind, Familie, Beruf und Hobby balancieren möchten und mit einem stetigen Informationsüberfluss umgehen müssen.

Jedoch können nicht alle Nutzungskonflikte im öffentlichen (Strassen)raum baulich oder obrigkeitlich (mehr Regeln, mehr Überwachung, mehr Kosten) gelöst werden. Und auch wenn dies möglich ist, so müssen diese, wie andere staatliche Massnahmen der Prüfung u.a. punkto Zweckmässigkeit, Wirksamkeit, Verhältnismässigkeit unterzogen werden.

Oftmals ist es sogar einfacher, schneller und günstiger, wenn Menschen sich und ihre Erwartungen pragmatisch gerade auf stark beanspruchten öffentlichen Flächen untereinander abstimmen und das eigene Verhalten situationsgerecht anpassen.

Dies ist sogar Pflicht, denn jeder muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere weder behindert noch gefährdet (Strassenverkehrsgesetz SVG Art. 26). Zudem ist die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen (SVG Art. 32). Man muss also nicht immer 50 fahren, wenn es eine 50er-Tafel hat.

Dieses situative Anpassen kann, darf, ja soll man im täglichen Leben freundlich voneinander gegenseitig einfordern. Natürlich ist das nicht immer einfach, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und mögliche Konflikte zu managen. Natürlich gibt es verschiedene Vorstellungen, was situationsgerecht bedeutet. Doch statt die Faust im Sack zu machen, können wir Veränderungen selbst anstossen.

Als Gesellschaft in einem kleinen Land mit wachsender Bevölkerung, wachsender Mobilität haben wir gar keine andere Wahl. Wir alle sollten gegenüber allen mehr Rücksicht nehmen. Deshalb sollten wir versuchen, mehr achtsam zu sein.

Wir sind nicht alleine, andere mögen ähnliche Herausforderungen haben. Dies ist auch eine Chance – für mehr gegenseitiges Aushelfen (z.B. car/ride sharing?) oder eventuell auch Verzicht (muss ich wirklich das heute besorgen, und meine Bestellung online bereits morgen im Briefkasten haben?).

Weiterführendes

Mobilität

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/personenverkehr/verkehrsverhalten/tageszeit-unterwegszeit.html

Bevölkerungsentwicklung

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung.html

Gestresst sein

https://www.nzz.ch/panorama/immer-mehr-menschen-sind-bei-der-arbeit-gestresst-und-die-frauen-sind-gestresster-als-die-maenner-warum-ld.1831730

Chriesbachweg gesperrt bis ca. Mitte Juni 2024

Der Kanton verbessert die Wegführung und verlegt die Veloroute 45 an den Chriesbachweg. Deshalb sind seit letzter Woche bis ca. Mitte Juni Weg-Instandstellungsarbeiten im Gange. Für diese Zeit ist der Weg zwischen Ueberlandstrasse und Dietlikonstrasse vorübergehend gesperrt.

Ich freue mich umso mehr auf die Wiedereröffnung im Juni.

Siehe kantonale Baustelleninfo:

http://www.duebendorf.ch/docn/5048656/20240422-PU-Dübendorf_DietlikonSperrung_Chriesbachweg06.05.-_Mitte_Juni_2024.pdf

Öff. Auflage zu neuer Passerelle Bahnhof Stettbach und zu neuem Perron-Zugang gestartet

Ich freue mich, dass das Plangenehmigungsverfahren (PGV) für zusätzlichen Aufgang und Langsamverkehr-Brücke über die Gleise beim Bhf Stettbach vorwärts geht.

Mit dem Projekt soll einerseits die Zugänglichkeit und der Personenstrom von und zum Perron beim Bahnhof Stettbach mittels Treppe und Lift verbessert werden, andererseits soll eine neue Passerelle entstehen für den Fuss- und Veloverkehr.

Bauherrin ist die SBB.

Mit der Inbetriebnahme wird im Herbst 2026 gerechnet.

Die öff. Auflage läuft noch bis Mitte Juni.

Weitere Infos:

Anzeige öff. Auflage: www.duebendorf.ch/_docn/5028598/23-EBG-0617,_SBB_-_Dübendorf,_Zürich,_Bahnhof_Stettbach,_Verbesserung_Bahnzugang,_BAV_2023-0617.pdf

Dokumente öff. Auflage: https://www.zh.ch/de/mobilitaet/transportbewilligungen/personentransporte/pgv-eisenbahngesetz/oeffentliche-auflagen-definition/planvorlage-der-schweizerischen-bundesbahnen-sbb-betreffend-2023.html

Aktuelle Strassenbauprojekte in Dübendorf

Bildquelle:https://www.worldconstructiontoday.com/pressreleases/a-transformative-approach-to-highway-construction/

Auch im Jahre 2024 gibt es mehrere Strassensanierungsprojekte in Dübendorf.

Anfang März begannen die Arbeiten an der Grüzenstrasse. Die Grüzenstrasse hat heute bereits einen speziellen Charakter, da sie als Quartierstrasse dank mehreren Bäume im Strassenraum attraktiv ist für Fussgänger und da sie an die Sekundarschule angrenzt.

Das Projekt ist das erste, welches auf Basis der Legislaturziele des Stadtrats 2022-2026 die Bodenversiegelung reduzieren und die Beschattung dank Bäumen verbessern möchte und damit die Hitzeentwicklung im Strassenraum reduziert. Leider sind die meisten der bestehenden Bäume längerfristig nicht mehr lebensfähig und werden deshalb ersetzt. Neu werden grössere Baumgruben geschaffen, was bessere Voraussetzungen für grosskronige, gesunde Bäume bedeutet. Die erhöhte Versickerung des Regenwassers hilft nicht nur der Baumentwicklung, sondern entlastet zudem auch die Kanalisation.

Aufgrund der Bauarbeiten wird die Haltestelle des Öki-Bus temporär verschoben (Infos dazu hier). Infos zum Verkehrsregime während der Bauarbeiten sind hier.

Der Kanton saniert die Höglerstrasse zwischen Oberer Zelglistrasse und Nüsslikreisel ab Mitte März bis Mitte September. Dadurch wird die Bushaltestelle Högler verschoben und die Busse 743 und 754 werden via Wilstrasse und Obere Zelglistrasse umgeleitet (siehe Infos dazu hier).

Kurz nach Abschluss der Bauarbeiten findet die UCI Rad-WM statt. Das Einzelzeitfahren der Männer wird am Sonntag, 22. September 2024 von in der offenen Rennbahn Oerlikon gestartet und führ via Schwammendingen nach Dübendorf und hier über die Zürichstrasse, Höglerstrasse und Fällandenstrasse nach Fällanden führen. Siehe Karte hier: https://zurich2024.com/rennprogramm/men_elite_itt/

Diese Strassen werden an diesem Tag für einige Stunden vollständig gesperrt sein.

Zwischen Mai und Ende August 2024 wird die Glattbrücke der Usterstrasse saniert, unter Vollsperrung für den motorisierten Verkehr (ein Trottoir bleibt aber nutzbar für Fussgänger). Der Bus 754 wird entsprechend umgeleitet.

Die Bauarbeiten sollten rechtzeitig vor dem Dübi Fäscht (30. August bis 1. September 2024) beendet sein. Mehr zum Fest: https://duebifaescht.ch/

Zwischen Mai und Oktober 2024 werden die Oskar-Bider-Strasse (Süd, d.h. zwischen Bahnunterquerung und Usterstrasse) sowie die Gärtnerstrasse saniert. Diese Projekte folgen ebenfalls dem neuen Konzept (Reduktion der Asphaltversiegelung, mehr Begrünung und Beschattung, mehr Versickerung des Wassers und damit Verminderung der Hitzeentwicklung).

In den Jahren 2024/2025 ist zudem geplant, den Damm am Schlossweg (zwischen Restaurant Waldmannsburg und der Holzkorporation) zu ersetzen mit einer leichten Brücke, sowie die Alte Gfennstrasse zwischen Frickenstrasse und Greifenseestrasse zu sanieren.

Neben diesen Projekten finden kleinere Werterhaltungs- und Reparaturmassnahmen statt, u.a. auf dem Schlossweg, auf der unteren Zelglistrasse, auf der alten Gfennstrasse (ab Sonnenbergstrasse nach Osten, Richtung Gfenn).

AHV sichern, statt noch mehr verschulden!

Kommentar zu den eidgenössischen Abstimmungen vom 3. März 2024

Am 3. März stimmen wir über zwei gegensätzliche Vorlagen zur AHV ab. Mit der Vorlage der Linken für eine 13. AHV-Rente würden alle Rentenbezüger ein paar Hundert Franken mehr erhalten. Das wäre grösstenteils unnötig. Denn wenn, wie Zahlen von ProSenectute und BFS andeuten, rund 90% der Rentenbezüger nicht auf eine allgemeine Rentenerhöhung angewiesen sind, sind subjekt-bezogene Hilfen wirksamer und verhindern Mitnahmeeffekte. Bereits heute gibt es dafür mehrere Instrumente. Die 13. Rente jedoch würde allen ausgeschüttet, erst 4-5 Milliarden Franken pro Jahr zusätzlich kosten und danach immer teurer werden. Diese Giesskannenpolitik würde höhere Lohnabzüge oder höhere Mehrwertsteuersätze bedeuten – für alle, worunter aber überproportional Tieflohnempfänger und der Mittelstand leiden müssten. Diese würde Arbeit und Konsum in der Schweiz verteuern und die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland riskieren.

Angesichts des wachsenden Anteils der Rentenbezüger und der steigenden Lebenserwartung droht der AHV ab 2030 negative Umlageergebnisse in Milliardengrösse. Statt noch mehr Schulden zu verursachen, sollte die AHV auf eine langfristig stabile Grundlage gestellt werden. Genau dies ermöglichst die Renteninitiative. Während viele EU-Staaten Rentenalter 67 einführen, würde mit der Renteninitiative ab 2033 in der Schweiz Rentenalter 66 gelten und dann das reguläre Rentenalter von der Lebenserwartung abhängig gemacht. Die Renteninitiative schafft Anreize, länger zu arbeiten und so in der Schweiz vorhandene Arbeitskräfte besser zu nutzen. Zudem reduziert sie auch die unfaire Umverteilung von Jung zu Alt. Ich empfehle deshalb klar ein Ja zur Renteninitiative.

Adrian Ineichen

Bevölkerungsentwicklung von Dübendorf

Im Jahre 2023 ist die Bevölkerung von Dübendorf um 597 Personen auf 31’186 gewachsen (nach zivilrechtlichem Wohnsitz). Damit lag das Wachstum etwas über dem Durchschnitt (531) der Jahre seit 2011. Voraussichtlich wird Dübendorf im 2024 stärker wachsen, da vermutlich gleich mehrere Überbauungen bezugsbereit werden.

Altersgruppen

Unter den 10-Jahres-Altersbändern verfügt die Kohorte der 31-40jährigen seit mehr als 10 Jahren über den grössten Anteil an der Bevölkerung (2023: 18.3%) und wuchs in absoluten Zahlen auch am stärksten: Seit 2011 vergrösserte sich diese Altersgruppe von 4’164 auf 5’708 Personen. Schweizweit war diese Alterskohorte mit 14.5% nur die Zweitgrösste im 2022 (BFS, 24.8.2023).
Prozentual das stärkste Wachstum seit 2011 hatten in Dübendorf die >80jährigen (+61% auf 1’448 Personen), gefolgt von den 51-60jährigen (+41% auf 4’182 Personen) und den 21-30jährigen (+35% auf 4’573 Personen).

Der Anteil an Rentnern (älter als 65) sinkt seit 2014 stetig (von 15.6% auf 14.5% per Ende 2023), ebenso wie der Anteil Schüler (jünger als 16jährig) seit 2015 (16% auf 14.8% per Ende 2023). Umgekehrt bedeutet dies, dass der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auf 70.7% stieg. Schweizweit lag dieser Wert in 2022 nur bei knapp unter 66% (BFS, 24.8.2023).

Umzug

Interessant ist die in den letzten Jahren stark gestiegene Zahl der Adressänderungen innerhalb Dübendorfs. Diese wuchs von rund 2000 im Jahr 2019 auf mehr als 3000 im Jahre 2022. Anders gesagt: im 2022 zügelten rund 9.9% der Dübendorfer innerhalb ihrer Stadt. Darüber hinaus liegt gemäss BFS (BFS, 17.11.2023) die Umzugsquote (Wegzugsquote) in Dübendorf mit 10.8% über dem Schweizer Mittel von 9.5% im 2022, während die Stadt Zürich auf 12.3% kommt.

Berücksichtigt man die Zu-/Wegzüge, Geburten und Todesfälle, so hat sich die Bevölkerung Dübendorfs in den letzten rund acht Jahren statistisch gesehen komplett ausgewechselt! Da dies tatsächlich nicht so ist, deutet darauf hin, dass einige Personen mehrfach zu-/weggezogen sind.

Ausländer

Der Ausländeranteil stieg in Dübi von 30.4% im Jahre 2011 auf 36.4%, wobei dieser Anteil seit 2020 kaum noch zunahm. Der Ausländeranteil steigt einerseits aufgrund des höheren Anteils an Zugezogenen, andererseits aber auch aufgrund des seit 2016 überproportionalen Geburtenanteils von und des unterproportionalen Todesfallanteils von Ausländern.
Schweizweit lag der Ausländeranteil Ende 2022 bei rund 26% (BFS, 24.8.2023).

Finanzielles

Die Steuerkraft (Steuerertrag pro Einwohner) wuchs auf 2021 hin auf 3’434 Franken, liegt aber weiterhin und seit langem unter dem kantonalen Durchschnitt (ohne Stadt Zürich) und liegt immer noch unter dem Wert von 2017 (3’702 Fr.). Die Steuerdaten deuten also nicht darauf hin, dass Dübendorf überproportional viele Vermögende oder Personen mit hohem Einkommen anzieht.

Stark wuchs in den letzten Jahren der Aufwand (Erfolgsrechnung der Stadt Dübendorf) pro Einwohner. Betrug dieser im 2016 noch 5’646 Franken, stieg er zuletzt auf über 6’400 Fr. (2022), was über dem Mittel (seit 2011) von rund 6’000 Fr. liegt.

Quellen:

Die Entstehung der modernen Schweiz 1848 ist ein Politthriller erster Klasse

Bildquelle: https://images.app.goo.gl/F9QCY2GxgYtZBkh49

Da Im Jahre 2023 die Schweiz 175 Jahre moderner Bundesstaat feierte, habe ich zur Entstehungsgeschichte der Bundesverfassung von 1848 gelesen. Diese wurde innerhalb von nur rund eineinhalb Monaten zwischen Ende Februar und Anfang April 1848 erarbeitet durch die Bundesrevisionskommission. Diese bestand aus einem Vertreter pro Kanton. Danach wurde der Entwurf durch die Tagsatzung beraten und leicht abgeändert (z.B. sieben statt die von der Kommission vorgeschlagenen fünf Bundesräte) und musste danach durch die kantonalen Parlamente und kantonalen Volksabstimmungen während der Sommermonate. Die Tagsatzung setzte die neue Bundesverfassung am 12. September in Kraft und löste sich wenig später auf. Im Oktober 1848 fanden die ersten Nationalratswahlen statt. Der Nationalrat (mit damals noch 111 Mitgliedern) trat Anfang November zum ersten Mal zusammen. Der Bundesrat wurde am 16. November gewählt und trat vollzählig erstmals am 27. November 1848 zusammen.

Wer hätte im Frühling 1845, nach dem gescheiterten zweiten Freischarenzug gegen den konservativen Sonderbund, geglaubt, dass der Wandel von einem Staatenbund souveräner Kantone hin zu einem Bundesstaat sich so rasch vollziehen würde?

Beim Lesen zur Arbeit der Bundesrevisionskommission stiess ich immer wieder Heiteres, aber auch Überraschendes, und vor allem immer wieder auf Menschliches. Unten folgen deshalb einige humorvolle Müsterchen aus dem Buch «Stunde Null» von Rolf Holenstein (Quellenangabe siehe am Ende dieses Blogs). Fette Markierungen sind von mir.

Samstag, 19. Februar 1848

Der Waadtländer Vertreter (und spätere Bundesrat) Henri Druey will Souveränität alleine auf die Nation abstellen, nicht mehr auf die Kantone, und überrascht damit die Kommission.

Der Zürcher Vertreter (und spätere Bundesrat) Jonas Furrer stemmt sich dagegen, gemäss Frey-Herosés Notizen kritisiert er diesen Vorschlag als wolle man «a priori ein Projekt ins Blaue hinaus gleich in der ersten Sitzung festsetzen …». Man solle zuerst «über die Folgen meditiren (sic!). Sonst fährt man mit einer Stange im Nebel herum». Man soll lieber analytisch-praktisch vorgehen.

Der Solothurner Vertreter (und spätere Bundesrat) Josef Munzinger kommentiert, ebenfalls gemäss Frey-Herosés Notizen: «Es war vorauszusehen, dass er am ersten Tag kraus gehe.». Furrer selbst notiert kurz, «Folgt ein Zank über die Ordnungsmotion von Zürich», während Frey-Herosé ausführlicher berichtet von den Worten Drueys, welcher «fulminiert» sei und «verbittet sich Ordnungsmotionen, Verwerfungen ohne Prüfung; will heimreisen, nicht Redaktor sein, wenn man so zu Werke gehen will». Worauf Furrer entgegnet haben soll: «Verbittet sich auch ein Anpredigen, das auf Missverständnissen beruht».

Der Glarner Vertreter Caspar Jenny notierte: «Druey ist über die Bemerkungen von Furrer höchst erbittert und sagt, von einem Zürcherprofessor lasse er sich nichts vorschreiben».

Giacomo Luvini aus dem Tessin ist ebenfalls skeptisch über rein nationale Wahlcollegien und fürchtet (gemäss Frey-Herosés Notizen), dass «Tessin, das müsste mit Uri zusammengehen und würde wahrscheinlich oft einen Papisten auf die Tagsatzung schiken (sic!)»(,da Uri sehr katholisch ist). (Seiten 487-497)

Dienstag, 22. Februar 1848

Über die Garantie der Kantonsverfassungen wird lange diskutiert. Der Aargauer Vertreter (und spätere Bundesrat) Friedrich Frey-Herosé scheint den langen Ausführungen müde zu sein, wenn er ein Statement des Genfers Rilliet-de Constant mit «Lirum, larum, Gewäsch. Die Wahrheit ist immer zu achten.» (Seite 519) kommentiert! Wie heiter das Menschliche in der Politik über trockene Verfassungskunde doch manchmal sein kann.:-)

Wenig später räsoniert derselbe Genfer Louis Rilliet-de Constant, weiterhin gemäss Frey-Herosés Notizen, «Schüze man jezt das Volk [sic!]. Man aristokratisirt sich gar leicht im Weihrauch der Gewalt.» (Seiten 520-521). Wie sinnig!

Mittwoch, 23. Februar 1848

Der Berner Vertreter und spätere Bundesrat Ulrich Ochsenbein war einer der wichtigsten Treiber der Formung des modernen Schweizer Bundesstaats und präsidiert die Bundesrevisionskommission. Jedoch scheinen noch nicht alle Kommissionsmitglieder die Namen der jeweiligen Mitglieder zu kennen. So kommt es nach fünf Tagen Beratung, dass der Stadt-Basler Johann Georg Fürstenberger einen Antrag stellt, veranlasst durch die «Schönbeinische Motion» (Seite 531). Dabei sollte dem lieben Basler Vertreter klar sein, dass der Kommissionspräsident Ochsenbein und nicht Schönbein heisst.

Donnerstag, 24. Februar 1848

Während der Debatte über die Pressefreiheit sind einige Vertreter eher konservativer Kantone besorgt, dass diese nicht in «Pressefrechheit» (der Freiburger Bussard, gemäss den Notizen von Frey-Herosé) ausarte. Der Urner Franz Jauch möchte denn auch Ausnahmen machen, was wiederum den Zürcher Furrer verärgert. Frey Herosé notiert, Furrer habe «allemal einen Kapitalärger, wenn religiöse und sittliche Grundsätze vorzüglich von einzelnen Kantonen in Anspruch genommen werden. Glaubt man, andere Kantone seien nicht auch religiös und sittlich? …».

Furrer selbst notierte, «Furrer wascht ihm den Kopf, über die Manier, einzelne Kantone vorzugsweise…» (Seite 543)

Bei der Diskussion um die Niederlassungsfreiheit gab es Sorgen, dass gerade in den Grenzstädten Basel und Genf viele unerwünschte Personen kommen würden.

Der Basler Fürstenberger meinte, gemäss Frey-Herosé, «Eine Abwehr von nicht erwerbsfähigen Leuten auf polizeylichem Weg muss erlaubt seyn. […] Allein alle Lumpen und Schlingel von Elsässern kommen…»

(Seite 545)

Während einige wie Ochsenbein und Frey-Herosé sich für uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit aussprechen, haben andere, u.a. Vertreter der katholischen, kleinen Kantone grosse Vorbehalte. Druey vom Kanton Waadt kommentiert (gemäss Protokoll von Furrer), dass ein Vertrag zum Thema mit Frankreich die Thematik zusätzlich verkompliziere: «Die Schwierigkeit ist immer der französische Vertrag. Denn es kommt von Frankreich ein bedenkliches Publicum in die Schweiz. […] Am Ende bekommen wir noch mit den Eisenbahnen eine Völkerwanderung auf den Hals.» (kursiv: Hervorhebung vermutlich im Original, Seite 548)

Nach einem Vorschlag von Druey kommentiert Frey Herosé (gemäss Protokoll Furrer) diesen so: «der Antrag von Waadt ist auch nicht billig; […]. Der Erfolg würde seyn, dass eine Überfüllung wohlhabender Gemeinden und eine Vermischung der Gemeindegüter zur Folge haben [korrekt: eintreten würden]. Das «Theilet, ihr Löhli» in der Vignette des «Gukkastens» gehört hieher und findet die praktische Anwendung. Man soll daher nicht auf solche Weise in die Gemeindeverhältnisse eingreifen.» (Seite 558)

Mittwoch, 1. März 1848

Die Stossrichtung ist klar, das Postwesen soll zentralisiert werden. Dennoch stellen sich Fragen, u.a. bez. Entschädigung der Kantone, kantonale Konkordate und internationale Verträge. Kantone würden sich offenbar konkurrenzieren.

Gemäss Protokoll Furrer kommentiert der spätere Bundesrat Josef Munzinger: «Ich suche die Finanzen in einer besseren Administration; man hat erfahren, dass bey der Post 2 x 2 nicht immer 4 sind, dass 4 Btz. [Adrian Ineichen: Batzen] oft mehr als 6 Btz. sind. Dann kommt das Misstrauen. Wenn einmal die Kantone sich nicht mehr befehden, so wird gewiss auch die Eidgenossenschaft allg. anerkannte Grundsätze aufnehmen.»

Das Protokoll von Frey-Herosé schreibt Munzinger noch diesen Satz hinzu: «Daher vereinfache man die Sache, dann geht’s besser. Das Postwesen wird bald behandelt wie die ägyptischen Priester ihre Mysterien behandelten!»

(Seite 598)

Montag, 6. März 1848

Wie am 3. März, geht es nun ums politische System: Beibehaltung der Tagsatzung als lockerer Staatenbund souveräner Kantone? Einkammerparlament auf nationaler Stufe und sogar Einheitsstaat unter Abschaffung der Kantone? Zweikammersystem mit eidg. Wahlkreisen für den eidg. Rat, der die eidgenössischen Themen beschliesst, während die Tagsatzung die kantonalen Themen beschlösse? Gemeinsame Sitzungen beider Räte oder nicht? Gemeinsame Beschlüsse?

Die kleinen Kantone wollen lieber nichts ändern, da sie einen Machtverlust befürchten. Die Diskussion scheint bisweilen hitzig gewesen zu sein.

Der Urner Vertreter Franz Jauch, der dem später beschlossenen Zweikammersystem noch zustimmen wird, redet sich offensichtlich in der Diskussion in Rage gegen Aristokratie, verteidigt die kleinen Kantone und ihre Interessen. Gemäss Notizen von Frey-Herosé: «Wir dulden keine Schärensch[leifer]. – Wird grob.- » (Seite 640)

Am selben Tag verteidigt Caspar Jenny, der Vertreter Glarus’ die Verdienste und Loyalität seines Kantons in derart salbungsvollen Worten, dass Frey-Herosé dessen Statement mit wenigen Zeilen abkürzt «Was ist möglich, was können wir durchführen? Vivat Glaris. Warum Misstrauen gegen die kl. Kantone?» (Seite 648)

Der spätere Bundesrat Ochsenbein favorisiert ein Zweikammersystem und erhöht den Druck, angesichts der unterschiedlichsten Positionen, gemäss Protokoll Furrer: «Will man unserer Ideen keine Folge geben, so bleibt die Sache im Alten, und wir wollen alles lieber aufgeben. Bey dieser Sachlage werden die kleinen Kantone immer den Pfaffen preisgegeben seyn, und Österreich wird sie stets unter sich haben.» Ochsenbein meint damit den starken Einfluss des katholischen Klerus, insbesondere in der Zentralschweiz. (Seite 650)

Dienstag, 7. März 1848 – High noon zur Frage der Gestaltung des künftigen Parlaments

Die Diskussion um die Gestaltung der künftigen nationalen politischen Institutionen geht weiter. Der Genfer Vertreter Rilliet-de Constant schwenkt ein als Fürsprecher des amerikanischen Zweikammernsystems und spricht sich gegen den Vorschlag vom Waadtländer Druey aus, «gegen das Veto oder die Sanktion der Kantone und […]. (Schwatzt noch sehr viel, aber man weiss nicht, wo hinaus.)» (gemäss Protokoll Furrer) (Seite 656)

Der Berner Vertreter und Kommissionspräsident Ochsenbein reagiert offenbar gereizt auf Kritik an seinem Vorschlag (zwei Parlamentskammern mit einer bestimmten Separation der Zuständigkeiten), welche insbesondere durch Munzinger geäussert wird. Frey-Herosé notiert zum Statement von Ochsenbein: «Zur Ausscheidung der Geschäfte mache man ein Kompetenzgericht. – Lange Rede. Herr Munzinger – Herr Ochsenbein zwiken einander, ob man heute über Grundsätze abstimmen wolle oder nicht […] Präsident will absolut abstimmen lassen, damit die Commission einen Leitfaden habe.» (Seite 660)

Der Luzerner Steiger meint gemäss Furrer: «Wir kommen durch Animosität fast auf Abwege. […] Über diese Frage kann man gewiss jetzt abstimmen, und dann hat die Commission eine hinreichende Basis.» (Seite 661)

Gemäss Notizen von Frey-Herosé endet die Sitzung gereizt: «Verwahrung und Protestation des Herrn Michel – Trost – Saturn – Hitze – Öffentlichkeit der Verhandlungen beantragt – warum? Um die Leute in Ruhe und Ordnung zu halten? – 1 Stimme. – Sind wir überhaupt kapabel fortzufahren? – Grosser Verdruss einerseits. – Der Vorhang fällt.» (Landamman Alois Michel war Vertreter von Obwalden, Seite 663)

Viele Kommissionsmitglieder senden immer wieder Berichte und Kommentare an ihre Kantonsregierungen über den Stand der Beratungen der Bundesrevisionskommission. Nach dem 7. März spiegelt sich der schwierige Stand darin:

Melchior Diethelm, Vertreter von Schwyz: «Der erste Tag erfüllte mich mit vieler Hoffnung; die feste Haltung, die Munzinger zu Gunsten der kl. Kantone annahm war erfreulich; […]

Allein schon am 2ten Tag folgte Hitze in der Discussion. Fatalerweise liessen sich Uri und Obwalden auf höchst unkluge Art vernehmen – und diess spannte die Saiten alsbald höher. […]

Ochsenbeins Antrag schlau darauf berechnet war, den Kantonen, und nammentlich den kleinen, eine Alternative zu setzen, um dann auf einmal erklären zu können, nun wir haben Euch alles geben wollen, was Euch historisch rechtlich gebührt, allein Ihr wollt mehr als diess, deshalb brechen wir ab.[…]

Selbst Furrer fing an, das Feld zu räumen [Adrian Ineichen: zugunsten eines Zweikammerparlaments]; nur Munzinger und die Örtli [!] blieben fest – die Gereiztheit zwischen ersterm und Ochsenbein stieg mit jedem Augenblik. Statt nun diese Blitze schiessen zu lassen, und etwas kaltblütig den Zuschauer zu bilden, stiess Uri ins alte Horn – und alsbald wurden auch die Bessern wankelmüthig. […] Ich beobachtete das Wetterleuchten.»

(Seite 666)

Samstag, 11. März 1848 – Zölle

Neben den politischen Institutionen war die Abschaffung der bisherigen Binnenzölle und damit die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums, Grenzzölle und Consumogebühren und Entschädigung der Kantone eine zweite grosse Knacknuss in der Kommission, deren Beratung mehrere Tage beanspruchte.

In der Diskussion lamentierte der Glarner Jenny, gemäss seinen eigenen Notizen: «Von Havre bis Basel werde kein Kreuzer Transitgebühr entrichtet. Tritt aber die Waare in den Kreis der verbündeten Kantone, so wimmle es von obligatorischen Kaufhausgebühren, Zöllen, Weg- und Brükengeldern.» (Seite 676)

In den Beratungen gab es einerseits die Idee, die Kantone für die Abschaffung ihrer Zölle zu entschädigen, als Variante mit der Erhöhung von sogenannten Consumogebühren (wohl eine Art indirekte Steuer auf den Konsum).

Der Basellandschäftler Karl Spitteler kommentierte gemäss Furrer einmal: «Dann giebt man den Kantonen – zwar genauer diejenigen, welche bis dahin die totale Abschaffung aller Consumogebühren verlangten – den naiven Rath, «man möge sich durch Einführung resp. Erhöhung von Consumogebühren entschädigen». Das ist mit andern Worten nichts gesagt als: «Die Kantone mögen schauen, wo sie’s wiederum nehmen».»

(Seite 686)

Freitag, 17. März 1848: Zölle

Nachdem ein Vorschlag durchkam, die Kantone mit einem pauschalen Batzen pro Kopf zu entschädigen für die Abschaffung der Binnenzölle, geht die Diskussion weiter.

Der Glarner Jenny meint gemäss Protokoll Furrer: «in Ganzen ist die Sache die, dass viele Kantone eine Art Wegelagerungssystem haben, während die andern ihre Strassen aus Vermögenssteuern, i.e. aus ihrem Sack, bauten.»

Frey-Herosé notiert zum selben Statement von Jenny u.a. folgendes: «Contra Stadtbasel, das ungeheure Zölle bezieht […]. Von Amsterdam bis Basel kostets nichts. Erst Basel fängt an zu melken. Und solche Stände widersetzen sich dann am meisten jeder Zollregulirung […]. Den Transit muss man erleichtern.» (Seite 709)

Wenig später kommentiert Munzinger gemäss Protokoll Furrer: «Die Berechnung betreffend Bündten [Adrian Ineichen: gemeint ist Graubünden] anerkenne ich nicht, weil dort Gebühren sind, welche die Tagsatzung nie genehmigte».

Es scheint, dass (schon) damals gewisse Kantone sich nicht immer ans Recht hielten. (Seite 711)

Kurz darauf rechtfertigt Jenny, gemäss Furrer, «seinen Ausdruk Piratensystem» (Seite 713)

Montag, 20. März 1848: Wieder die Frage des Parlamentssystems

Der Luzerner Steiger spricht sich gegen ein Zweikammer-System aus und meint, gemäss Protokoll Furrer: «Man hat auch der Tagsatzung vorgeworfen, dass sie nichts nütze, weil sie oft nichts herausbringe. Das gleiche wird herauskommen, wenn nun zwey Behörden existieren; und zudem würden enorme Kosten entstehen […].» (Seite 735)

Es geht auch darum, wieviele Mitglieder der Nationalrat haben soll, z.B. ein Repräsentant auf 20’000 oder 30’000 (oder sonst eine Zahl) Einwohner.

Gemäss Notizen von Jenny bekräftigte Furrer, «er wohne auch nicht in einem Hottentottenlande, das nicht im Stande sei, genugsam Leute in diese Behörde aufzubringen.». Furrer selbst notierte später, er weise «entschieden den Vorwurf zurük, als ob seyn Antrag die Einführung eines Herrenhauses bezwecke.» (Seiten 741/742)

Mittwoch, 22. März 1848: Kompetenzen des Parlaments

Die Frage ist, ob ein Verquickungssystem, d.h. Kompetenzausscheidung zwischen Nationalrat und Tagsatzung möglich ist und ob die Kantonsvertreter Instruktionen (wie bisher als Vertreter der Kantone in der Tagsatzung) erhalten sollen.

Der St. Galler Wilhelm Mathias Naeff, gemäss Furrer, meint: «Die Eintheilung der Geschäfte wird schon anstössig seyn […]. Ferner hat man keinen Grund, die 25 Abgeordneten der Kantone als reine Kantönlimänner zu bezeichnen. Wo waren jetzt die Übelstände? […].» (Seiten 770-771)

Melchior Diethelm bricht später in der Diskussion mit seinem Vorschlag die Lanze fürs amerikanische Zweikammernsystem.

Die Diskussionen verliefen mit einigen Wendungen und Wirrungen. In seinem Bericht an die Ausserrhödler Regierung kommentiert deren Vertreter Johann Konrad Oertli: «Bei Art. 24 stehen wir also wieder am Anfang. Die Commission scheint wirklich in einem Kreis zu gehen […]. Kaum glaube ich, dass einer eine feste Meinung hat […]. Hr. Furrer hat vor zwei Tagen das Zweikammersystem vertheidigt, über das er früher nicht ärger hätte losziehen können […]. Heute Abend schon sagte mir aber Hr. Druey, dass er wieder auf seine Wahlkreise zurückkommen werde. – Auf ein Haar hätten wir heute die halben Stände zu ganzen erhoben […].» (Seite 777)

Donnerstag, 23. März 1848: Konvergenz zum Zweikammernsystem nach Vorbild der USA

Offenbar liefen im Nachgang zur Sitzung des Vortages am Abend noch diverse Gespräche, wo ein breiter Kompromiss gefunden wurde, in Form des Zweikammernsystems der USA.

Der St. Galler Naeff, der lange Vorbehalte hegte, kommentiert an der Sitzung denn auch, gemäss Protokoll Furrer: «Über das System der 2 Kammern ist mir ein Licht aufgegangen. […] Allein man muss eben die jetzigen Ideen von Wahlen, Instruktionen, Behandlungsart etc. bey Seite legen. […] und geht die Sache nicht, so ists wie bisher; pressierts, so werden die Behörden gewisse Beine bekommen.» (Seite 784)

Druey von Waadt bleibt wie Furrer skeptisch und will an seinem Vorschlag festhalten, allenfalls ein Einkammerparlament und erst als 3. Option das Zweikammersystem. Er sei «nicht so beweglich wie andere, denen über Nacht ein ganz anderes Licht aufgegangen sei.» (gemäss Protokoll Sarasin, Seite 786)

In den Berichten schreibt der Luzerner Steiger, der sich nun fürs Zweikammersystem ausspricht, «Auch die grosse Ruhe, deren sich die Nordamerikanischen Freistaaten seit 60 Jahren erfreuen, scheint für die Zweckmässigkeit des Systems zu sprechen.» (Seite 789)

Der St. Galler Naeff schrieb: «Nach der Sitzung dauerte aber die Berathung unter Einzelnen immer noch fort, besonders Abends «auf der Schmieden» […]. Dass aber die eidgenössischen Angelegenheiten zweimal überlegt u. nicht durch eine einzige lebendige, leicht bewegliche Behörde überstürzt werden können, ist eher ein Vorzug als ein Nachtheil.» (Seite 789)

Louis Wyrsch aus Nidwalden schrieb: «Nachdem man sich gegenseitig bis zur Erbitterung über den obgenannten Gegenstand gebalgt hatte & auf einmal jeder zu dem Zwei Kamer Sistem sich hingerissen fühlte, so verwunderte sich jeder über das plözliche Übereinstimmen […].» (Seite 790)

Freitag, 24. März 1848

Furrer, wie Druey, war am Vortag so überrollt vom «Zweykammersystem […] nach 5tägigen Debatten, worin es fast nie besprochen worden […], so dass ich dermassen consternirt war, dass ich nicht mehr weiss, wie ich in der Frage der Halbkantone stimmte.» (Seite 792)

Der Tessiner Offizier Luvini wollte Wählbarkeitsrestriktionen: «den Ausschluss der Pfaffen im Repräsentantenrath, nicht bloss im Bundesrat.» (Seite 798)

Der Basler Sarasin schrieb in seinem Bericht «Dass die Gleichberechtigung der Halbkantone [Adrian Ineichen: im Parlament] wieder würde zurückgenommen werden, war mir nicht unerwartet, denn es hat sich gestern gleich nach der Sitzung ein gewaltiger Unwillen darüber Luft gemacht.» Seite 806)

Donnerstag, 30. März 1848

Es geht um den Feinschliff und die nächsten Schritte. Dabei kommen teils wieder alte Themen hoch.

Druey wünscht eine öffentliche Beratung des Entwurfs der Bundesverfassung in der Tagsatzung. Zudem will er offenbar Frankreich (das gerade eine Revolution erlebt hat diesen Frühling) diplomatisch anerkennen. Diethelm spricht sich gegen eine Beratung in der Tagsatzung aus und eine direkte Diskussion in den Kantonen.

Der Schaffhauser Johann Georg Böschenstein kommentiert kurz darauf, gemäss Protokoll Furrer: «Die Haare stehen mir zu Berge bey solchen Anträgen. Wir sind dem Grossen Rath Bericht über unser Mandat schuldig.» (Seite 828)

Wenig später kommt Ochsenbein wieder auf Ausschlusskriterien, d.h. gemäss Protokoll Furrer «dass man weltlichen Standes seyn müsse, um in [den] Repräsentantenrath gewählt zu werden. […] Ich will lieber, dass die Bundesrevision verworfen werde, als dass die Geistlichen Zutritt erhalten.» (Gemeint ist wählbar für Bundesrat und Parlament) (Seite 828)

Druey bringt wiederum eines seiner Steckenpferde und, gemäss Protokoll Furrer, «stellt den Antrag, dass man vorn Bundes wegen den Grundsatz aufstelle, alle Klöster in der Schweiz sollen aufgehoben werden.» (Seite 829)

Dies wird vom Tessiner Luvini und fünf anderen unterstützt, während die Mehrheit meint, dieses heikle Thema soll nicht mehr aufgewärmt werden. Der Schaffhauser Böschenstein meint (gemäss Protokoll Furrer), lasse «man jeden Kanton mit seinen Klöstern machen, was er will. Was weiter geht, ist aus dem Bösen. Viele Kantone würden bedeuten verletzt werden.» (Seite 830)

Mittwoch, 5. April 1848: letzte Details

Bis dahin gibt es unterschiedliche Vorstellungen der Namen der künftigen nationalen politischen Institutionen. Nationalrath gewinnt als Begriff gegenüber anderen Ideen wie Volkskammer und Ständerath. Dazwischen meint der Solothurner Munzinger, gemäss Protokoll Furrer: «Das französische Chambre heisst Zimmer, man hat es schlecht mit Kammer übersetzt. Dies ist bey uns ein Ort, wo man keine honetten Menschen einlogirt; man hat Schnitzkammern, Plunderkammern usw.» (Seite 867)

Die Meinungen zum Entwurf der neuen Bundesverfassung waren gemischt. Während die kleinen Kantone teils glücklich über Besitzstandwahrung (im neuen Ständerat) waren, dachte Furrer, dass der Kanton Zürich «in allen materiellen Fragen unterlegen» war (Seite 908). Dennoch würde er genehmigen, da er viele Fortschritte erkennt. Bezüglich der Behandlung Zollthematik in der Tagsatzung im Mai 1848 kommentiert Furrer: «Es zeigte sich deutlich, dass eine Hand die andre gewaschen hat u dass die Gesandten schon eine Menge neuer Strassen- u Brükenzölle im Auge hatten u es ist unzweifelhaft, dass wir in 10 Jahren wieder eine Masse neuer Lasten der Art haben, nachdem wir alle die alten Sünden nun garantirt u auf Rechnung des Bundes übernommen haben […].» (Seite 908).

Quelle: Holenstein Rolf (2023, 2. A.). Stunde Null: Die Neuerfindung der Schweiz 1848. Die Privatprotokolle und Geheimberichte. Basel: Echtzeit Verlag